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René Adler

Mama Adler: „Du gehst jetzt sofort ins Tor!“
Wie alles anfing: Klein-René will draußen spielen, wird beim VfB aber schnell als Ausnahmetalent erkannt

Oktober 1991, Thomas Matheja, Nachwuchs-Chef beim Zweitligisten VfB Leipzig, durchforstet die umliegenden Schulen nach Talenten. Im Sportunterricht der Meusdorfer Heinrich-Mann-Schule fällt ihm ein blonder Junge auf, der anders als andere gegen den Ball tritt.

Ein paar Tage später steht Erstklässler René Adler, 6, auf einem staubigen Nebenplatz des Plache-Stadions vorm ersten Üben mit der VfB-Anfängergruppe. Übungsleiter Heiner Neubert: „Du bist groß, du gehst ins Tor!“ René: „Nein, ich spiel’ draußen!“ Mama Kerstin ruft quer übers Feld: „Renééé, du gehst jetzt sooofort ins Tor!“ René kriegt rote Ohren und gehorcht. 17 Jahre nach der Zähmung des Widerspenstigen steht er im Tor der Nationalmannschaft und vor einer Weltkarriere. Marktwert: 25 Millionen Euro, Tendenz steigend.
Entdecker Matheja und die späteren Trainer Neubert, Henning Frenzel, Ulrich Zempel, Bernd Kirsche und René Müller erkennen damals schnell: Dieser Junge hat vieles, was ein Torhüter haben muss: Reflexe, Mut, durchblutete Füße. „Aber um ein Guter zu werden, braucht es auch Charakter“, sagt Ex-Nationalkeeper Müller heute. „Auch den hat er, er wusste mit elf, was er will.“ Stimmt nicht, sagt Mutter Kerstin: „Mit acht!“
Mit sieben unternimmt René einen letzten Versuch als Feldspieler. Die Mama ist ausnahmsweise nicht dabei, Coach Frenzel lässt sich vom Hering erweichen. Der hetzt eine halbe Stunde übers Feld, tritt sich beinahe auf die heraushängende Zunge – und wird an diesem Tag zum Torhüter.
Max Watzka (23/FC Magdeburg), in der E- und D-Jugend auf dünnen Beinchen vor René wirbelnd, erinnert sich. „Mit ihm hinten konnte man fast gar nicht verlieren. Der hat Sachen gehalten – unglaublich! Unsere Familien sind ein paar Mal zusammen in Urlaub gefahren. Das war immer sehr schön, sehr ruhig. Hört sich vielleicht etwas langweilig an, aber wir waren schon ziemlich brave und wohlerzogene Jungs.“
Die Karriere des Braven nimmt Fahrt auf. Immer und überall dabei: Mutter Kerstin, die selbst drei Jahre beim SV Liebertwolkwitz kickt. Vater Jens, der beim SVL Mädchen für alles ist. Und Bruder Ricco, der Musiker der Familie.
Nicky Adler (23, MSV Duisburg, nicht verwandt mit René) hat bis zur B-Jugend mit René beim VfB gespielt, teilte mit ihm bei der U-20-WM das Doppelbett: „Renés Familie hält zusammen. Er ist ein intelligenter Typ, hebt nicht ab. Und man darf eines nicht vergessen: Er hat viele Jahre extrem hart gearbeitet, um so gut zu werden.“
Zur harten Arbeit gehört auch: Man muss loslassen können ...
8. August 2000, René ist flügge geworden, entschwebt dem Adlerhorst. Kerstin heult tagelang, weiß aber: Der Wechsel zu Bayer Leverkusen ist richtig und wichtig. Bayer-Manager Rainer Calmund überweist dem VfB freiwillig 15 000 D-Mark, erfüllt die Bedingungen der Adler-Eltern. Die wollen Nestwärme und einen Schulabschluss für den Sohn. René macht Abitur, büffelt und wohnt bei Torwarttrainer Rüdiger Vollborn, der selbst 401-facher Bundesligaspieler ist. „Ich habe den kommenden Nationaltorwart gesehen“, lässt Vollborn nach einer (!) Trainingseinheit im kleinen Kreis fallen ...
Als Adler am 25. Februar 2007 auf Schalke sein erstes Bundesligaspiel macht und wie ein Außerirdischer hält, berichtet Vollborn im Aktuellen Sportstudio Unglaubliches: „Ich kann mich weder im Spiel noch im Training an einen wirklichen Fehler von René erinnern.“ Vollborn hatte den Leipziger zu diesem Zeitpunkt sieben Jahre unter seinen Fittichen …
Oktober 2008, Adler ist 25 Millionen Euro wert, Bayern München soll schon ein Auge geworfen haben. Was die Bayern nicht wissen: Der Mann vergöttert Dänen-Titan Peter Schmeichel und Manchester United. 25 Mios würde ManU-Manager Alex Ferguson der Portokasse entnehmen.


Geschichte erschienen: Guido Schäfer, Leipziger Volkszeitung am 13. Oktober 2008

Als Adler fünf Gegentore kassierte …
… gelang der Löbnitzer D-Jugend vor zehn Jahren eine Sensation

Löbnitz. Millionenfrage bei Günther Jauch: „Gegen wen kassierte Nationaltorwart René Adler zum ersten Mal in seinem Leben fünf Gegentore?“ Die Löbnitzer Fußballer kennen die Antwort.
Ihre D-Jugend fuhr im Juni 1998 als krasser Außenseiter im Bezirkspokalendspiel zum ungeschlagenen VfB Leipzig. Auf einem Nebenplatz des Bruno-Plache-Stadions geschah die Sensation. Michael Lorenz und Oliver Hampel bezwangen den schon damals glänzenden VfB-Torwart René Adler und sorgten mit ihren beiden Toren für den 2:2-Halbzeitstand. Dann drehte Oli Hampel, der später in der U-19-Nationalmannschaft spielte und heute bei Fortuna Düsseldorf unter Vertrag ist, richtig auf. Mit einem Doppelschlag brachte er die Gäste 4:2 in Führung. Und der Zschortauer Helmut Gerhardt, der zu dieser Zeit in Löbnitz spielte, träumt noch heute von seinem Treffer zwei Minuten vor Schluss zum 5:2-Endstand. „Dem heutigen Weltklassekeeper ließ ich keine Chance“, wird er wohl bis ins Rentenalter an den Stammtischen schwärmen.
Im Tor der Löbnitzer stand der heutige Verteidiger beim FC Sachsen Leipzig Enrico Köckeritz. Gemeinsam mit dem viel zu früh verstorbenen Günter Wittig trainierte sein Vater Axel Köckeritz die „Löbnitzer Wunderelf“. Zu Geburtstagen des Coaches kommen oft auch ehemalige VfB-Spieler, die mit seinem Sohn Enrico später die Sportschule besuchten. Auf dem Tisch steht dann immer der Bezirkspokal von 1998. Bundesligaprofi Nicky Adler (nicht verwandt mit René), dessen Eltern heute in Badrina wohnen, bekannte beim Anblick dieses Pokals kürzlich traurig: „Das war unsere schlimmste Niederlage. Wir heulten nach dem Spiel wie die Schlosshunde. Am meisten der René.“
Wenig später trafen beide Teams in den Endspielen um die Bezirksmeisterschaft erneut aufeinander. In Leipzig verloren die Löbnitzer knapp mit 2:3. Im Rückspiel wurde VfB-Keeper Adler zum Helden. Seine Paraden und zwei Konter zum 0:2-Endstand machten den VfB zum D-Jugend-Bezirksmeister 1998. „Das wird mal ein ganz großer Torwart“, waren sich alle Zuschauer einig. Niemand ahnte, dass sie den Mann gesehen hatten, der zehn Jahre später im Kasten der deutschen Nationalmannschaft stehen würde.

Geschichte erschienen: Heiko Wittig, Leipziger Volkszeitung am 15. Oktober 2008