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W. Thieme 14.10.08

Kurze Engagements helfen nicht

Gespräch mit Sportmanager Wolfgang Thieme
Er gehört zu den Kennern der Leipziger Fußballszene, Vereine wie der FC Sachsen, der SV Nordwest oder der SV Naunhof profitierten von seiner Kompetenz und seinem Geschick im Sponsoring. Seit kurzem ist der als Immobilienwirt tätige Wolfgang Thieme (59) im Vorruhestand und hat sich als ehrenamtlicher Sportmanager auch aus dem fußballerischen „Tagesgeschäft“ etwas zurückgezogen. Umso interessanter ist mit etwas Distanz seine Sicht der Dinge.


Frage: Wie verkraften Sie die Ruhe?
Wolfgang Thieme: Ich habe gar keine, habe trotz meiner neuen Situation jede Menge zu tun. Ich wirke über Spieler unterstützend für Oberligist ZFC Meuselwitz und versuche auch Bezirksligist SV Nordwest in seiner aktuell schwierigen Situation zu helfen. Ich ziehe den Hut vor Trainer Jürgen Brauße, der dort nach großem personellen Aderlass sehenden Auges eine ganz schwere Aufgabe übernommen hat. Der Verein ringt um den Liga-Verbleib.

Was waren und sind Ihre Prämissen, um sich zu engagieren?
Es muss Ziele geben. Es muss fundierte Mitgliederarbeit, verteilt auf möglichst viele Schultern, geben oder aufgebaut werden. Das A und O sollten die Nachwuchsarbeit und die wirtschaftliche Ausstattung sein. Für den Nachwuchs müssen die besten Leute gewonnen werden.

Zur finanziellen Sicherung gehört das Finden und Begeistern von Sponsoren, bei der Sie oft erfolgreich waren. Ist das schwieriger geworden?
Ja, eindeutig. Man muss potenziellen Unterstützern immer zeigen, dass es eine sinnvolle Investition ist. Man muss sie gut einbinden. Da aber auch in anderen Bereichen wie Kultur oder im Sozialen Sponsoren heiß umwor- ben sind, ist die Decke mitunter recht kurz.

Sind Sponsoren Idealisten?
Viele sind Idealisten und selbstlose Unterstützer. Es gibt aber auch den einen oder anderen, der sich vordergründig präsentieren will. Letztere sind meist schnell wieder weg. Kurze Engagements helfen eigentlich nicht. Auf jeden Fall werden Sponsoren aus vielen Bereichen angesprochen. Als Verein muss man Verständnis für die Belange der Unterstützer entwickeln, wenn man Erfolg haben will.

Haben die Fußballer die diesbezügliche Situation ihrer Vereine immer begriffen?
Zum Teil stellen Spieler auch schon auf Bezirksebene unrealistische Forderungen. Ich kann nur davor warnen, dem nachzugeben. Wo ich tätig war, haben wir das stets in vernünftigen Bahnen gehalten.

Können Sie ein Extrembeispiel nennen, mit dem Sie bei Transferverhandlungen konfrontiert waren?
Mir saß mal ein Akteur gegenüber, der wollte, um zu uns zu kommen, einen fünfstelligen Betrag, dazu ein Auto zur Verfügung und weitere „Nebengeräusche“. Dem habe ich gesagt, er solle sich ein Kicker-Magazin kaufen, weil dort alle die Vereine drin stehen, die seine Forderungen erfüllen können.

Also verdirbt offenbar manches, was die Vereine den Spielern bieten, den Charakter?
Man muss durchaus aufpassen, dass das nicht passiert, ja. Aber Menschen sind eben nur Menschen, ticken menschlich und stecken manchmal auch in Zwängen.

Sind Ihnen neben vielen wander
freudigen Spielern auch wechsel- willige Schiedsrichter untergekommen? Schließlich sind die knapp und deshalb umworben.
Ja, und dass der Verband Vereine wegen fehlender Schiedsrichter mit Punktabzügen bestraft, finde ich überdenkenswürdig. Das führt dann zu solchen Auswüchsen, dass wechselwillige Referees abgekauft werden.

Noch ein Wort zum „großen“ Leipziger Fußball …
Er scheint momentan auf dem richtigen Weg, aber noch richtiger wäre eine wirtschaftliche Konzentration. Die Stadt müsste sich endlich mal dazu bekennen, und zwar nicht nur verbal, dass sie im Zentralstadion höherklassigen Fußball will, von mir aus am besten drei Mal die Woche. Der Zwang zur Konzentration gilt übrigens auch für die kleinen Vereine. Durch Fusionen und damit Bündelung der Kräfte wäre der aktuellen Entwicklung besser Rechnung getragen.

Sie meinen für den so genannten kleinen Fußball die demoskopische Entwicklung und spielen wohl auf die vor Jahren gescheiterte Fusion zwischen dem SV Nordwest und der Spielvereinigung 1899 an?
Zum Beispiel, man sieht ja, wo diese beide Vereine jetzt stehen. Da erübrigt sich jeder Kommentar.


Gab es für Sie auch andere Enttäuschungen?
Nein, weil man im Sport einfach auch immer mit Enttäuschungen rechnen muss und eben nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen können.


Interview: Frank Müller, Leipziger Volkszeitung am 14. Oktober 2008